hoppraus.de » Specials https://hoppraus.de Klettern, Trekken, Draußen sein! - Produkttests, Touren, Geocaching, Reiseberichte, Bücher, Gadgets u.v.m. Tue, 29 Oct 2013 10:50:14 +0000 de-DE hourly 1 Flaschenpost #04 – Ein Abend mit Cookhttps://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-04-ein-abend-mit-cook/ https://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-04-ein-abend-mit-cook/#comments Mon, 31 Dec 2012 14:38:47 +0000 https://hoppraus.de/?p=4836 EIN ABEND MIT COOK

von Martin Bettinger


Das Biwak am Copland Pass
ist eine kleine Tonne aus Blech.
Dort sitze ich auf dem einzigen
Hocker. Mein Schlafsack liegt
auf der Matratze, meine Schuhe
stehen davor, an einer Reepschnur
hängen meine Unterhosen und die
Socken zum Trocknen. Ich habe
Proviant ausgepackt, und da es
draußen wärmer ist als hier drinnen,
stelle ich die Tür auf, sie ist aus
Blech wie die Tonne.

Mount Cook zeigt sich in der
offenen Tür, der Große, der Weiße,
Sir Majesty. Er ist so nah, dass ich
ihn fast angreifen kann.

„Hallo, Mount Cook“, sage ich.

Er sagt nichts, doch er schiebt
seine Augen in meine Hütte hinein.
Sieht die Unterhosen, die Socken,
den Kanten Brot, zwei
Rädchen Salami.

„Was ist?“ frage ich ihn.
„Brauchst du was?“

Letzte Woche hat er sich
einen Franzosen geholt und davor
eine Dreierseilschaft unter einer
Lawine begraben. Jedes Jahr reißt
er sich ein paar unter den Nagel.
Jetzt schiebt er nur seine großen
kalten Augen herein.

„Brauchst du was?“ fragt er.

„Ich? Im Moment
wüsste ich nichts.“

„Aber ich bin Mount Cook“,
höre ich ihn. „Einen Wunsch
hast du frei.“

Idiot, denke ich, was fragst du
nicht gestern oder heut morgen?
Was fragst du nicht unten im Tal?
Aber jetzt? Hier?

„Gut“, sage ich,
man will nicht unhöflich sein.
„Bleib noch ein bisschen! Da,
wo du bist, in der Sonne!“

Und er bleibt noch ein bisschen
im Licht dieses Abends, erst rosa,
dann rot, violett, ich kaue
das Brot und die harte
Salami, so sitzen wir da,
Aug in Aug, ich
und Mount Cook.

Aus: Martin Bettinger, „Wo der Tag beginnt – Storys aus Neuseeland“, Conte Verlag 2012

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Flaschenpost #03 – Sein Name ist Cohttps://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-03-sein-name-ist-co/ https://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-03-sein-name-ist-co/#comments Tue, 11 Dec 2012 14:17:22 +0000 https://hoppraus.de/?p=4778 SEIN NAME IST CO

von Martin Bettinger


Du erkennst ihn am Trikot mit der 10.
Vor dem Training darf er das Netz
mit den Bällen tragen, und nach dem
Training die Leibchen einsammeln.
Das Feld mit Kreide eingrenzen darf er
nicht, aber er geht vor dem Platzwart her
und zeigt ihm die Linie. An den Ecken
geht er stets geradeaus weiter,
und muss kurz danach rennen, um
seinen Platz vor dem Wart wieder
einzunehmen.

„Co“ rufen sie ihn, von Co-
Trainer, das ist auch sein Name
im Ort.

Er ist hübsch, semmelblond
über hellblauen Augen,
nur hängt ihm die linke Hand
vom Gelenk, als hätte ihm jemand
einen Stock drauf geschlagen,
bis er aufhörte, sie benutzen
zu wollen.

Seine kurzen Hosen zieht er
im Winter nicht aus. Sein Trikot
höchstens zum Waschen. Um den
Bauch hat er ein Gürteltäschchen
geschnallt. Eine Karte mit seinem
Namen steckt drin und ein paar
Münzen.

Wenn er am Imbiss einen Hamburger
isst, gräbt er sein Gesicht in das
Brötchen, als wären die Ränder
des Burgers auch die Enden der Welt.
Er kann sich so freuen, dass
über seinen Wangen zwei Sonnen aufgehen.
Und er kann so traurig sein
wie das Moos auf den Steinen
im Busch.

In der Kirche darf er die Kerzen ausblasen.
Und Marlynn spendiert ihm manchmal
ein Eis. Er will die Kugel
direkt auf die Hand, weil ihm
die Waffel nicht schmeckt.

Co ist mein Freund, und auf seine
stille Art ist er mein Heiliger.
Durch seine Augen scheint mehr Licht
als durch sämtliche Kirchenfenster
Neuseelands.

„Co!“ rufe ich quer über
die Straße, wenn ich ihn sehe.

Er lacht unter flachsblonden
Haaren und hebt seine Hand,
den gebrochenen Flügel.

Ich winke mit beiden
Flügeln zurück.

Aus: Martin Bettinger, „Wo der Tag beginnt – Storys aus Neuseeland“, Conte Verlag 2012

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Flaschenpost #02 – Diese Hütte wird von DOC nicht mehr unterhaltenhttps://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-02-diese-huette-wird-von-doc-nicht-mehr-unterhalten/ https://hoppraus.de/2012/12/flaschenpost-02-diese-huette-wird-von-doc-nicht-mehr-unterhalten/#comments Mon, 10 Dec 2012 16:09:43 +0000 https://hoppraus.de/?p=4767 DIESE HÜTTE WIRD VON DOC NICHT MEHR UNTERHALTEN

von Martin Bettinger


Sie ist mit der Zahnbürste
vor die Hütte gegangen und
kommt nach wenigen Schritten
zurück.

„Was ist?“ frage ich. „Hast du
die Zähne vergessen?“

„Für dich. Lag vor der Tür.“
Sie steckt mir eine Feder hinter
das Ohr. Dann geht sie hinaus
und putzt sich die Zähne.

Sie ist zum Oberlauf des Wangapeka
gewandert, um an seinem Quellfluss
ihren Geburtstag zu feiern. Ich habe
sie auf dem Rückweg getroffen,
seither laufen wir zusammen.

Jetzt kommt sie wieder herein
und sagt: „Der Mond, er
sieht heute so traurig aus.“

„Er ist schon lang unterwegs.“

„Ich bin auch schon lange
unterwegs.“

„Und?“ frage ich. „Bist du auch
traurig geworden?“

„Eigentlich nicht.
Manchmal.“

Sie zieht sich aus und
steigt in den Schlafsack.

Ich lege Holz nach.

„Ich lese noch ein bisschen“,
sagt sie.

„Ich lese auch noch ein bisschen“,
sage ich. Ich nehme ihr Tagebuch
und lege es ungeöffnet neben mich
auf den Schemel.

„Gut“, sagt sie nach einer Weile.
„Du darfst darin lesen. Ich habe dir
sowieso fast alles erzählt und –
übermorgen geht mein Flug.“

Ich warte noch eine Weile,
schaue ins Feuer,
schiebe die Kloben zurecht,
dann schlage ich das Buch auf.

Und lese … Wie schön sie sich fühlt
nach einer Woche ohne Spiegel auf
einem Track, nur die fliegenden Haare
um ihr Gesicht, und ihre Hände
so braun, dass man zwischen den
Fingern weiße Dreiecke sieht.

Und wie sie kleiner wird, zurück
in den Orten, in den Cafés, wo
sie sich bei Seitenblicken ertappt
auf jüngere Frauen, schönere
Frauen, lachend in einer Runde
mit andern.

‚Da kann die kleine Josie von innen
strahlen, wie sie will’, schreibt sie.

Ich lese Zeile um Zeile
im Licht einer Kerze
auf einer umgedrehten Tasse.
Irgendwann sage ich: „Es ist schön,
das zu lesen.“

„Es ist auch schön, dich
beim Lesen zu sehen“, sagt sie
aus dem Dunkel ihrer Koje.
„Ich hätte nicht gedacht,
dass das geht.“

Es ist unser letzter Abend
unter einem Mond, der
aufgehört hat zu wandern.
Er steht vorm Fenster und
schaut ihr zu, wie sie mir
zuschaut, wie ich lese, Blatt
für Blatt in ihrem Buch.
In einer Hütte, die von DOC
nicht mehr unterhalten wird.

Aus: „Wo der Tag beginnt – Storys aus Neuseeland“, Conte Verlag 2012

Buchtrailer

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Flaschenpost #01 – Die Frauen von Motuekahttps://hoppraus.de/2012/11/flaschenpost-01-storys-aus-neuseeland/ https://hoppraus.de/2012/11/flaschenpost-01-storys-aus-neuseeland/#comments Wed, 28 Nov 2012 12:58:24 +0000 https://hoppraus.de/?p=4658 DIE FRAUEN VON MOTUEKA

von Martin Bettinger


26 Dollar, um einen Container
mit Äpfeln zu füllen,
waren nicht viel, aber einen
anderen Job fanden wir nicht,
außerdem gab es ein Extra dazu.

Bevor wir mit unseren Leitern und
den Kängurutaschen auf die Felder
rauszogen, schauten wir in die Halle.
Dort standen zehn, manchmal zwölf
junge Frauen am Fließband.
Die Äpfel ratterten aus der Waschanlage
herein, und die Frauen sortierten
sie in die Kisten. Die Guten nach
oben, die zweite Wahl tiefer, die
Beschädigten in die Wannen im Rücken.
Dazu lief aus riesigen Boxen
Technomusik.

„DU-DUFF DU-DUFF-DUFF …“

Ein Idiotenjob, klar, aber es gab
trotzdem ein schönes Bild.
All diese Frauen im schrägen,
staubigen Licht. Ihre fliegenden
Hände, ihre rotierenden Körper,
der Schwung ihrer Haare.

„Cool“, sagte Brian, „sieht aus
wie ein Rap!“

Es war wirklich ein Rap,
ein Elf-Stunden-Tanz zwischen
Bändern und Kisten. Und
die Frauen hatten nichts
gegen das Tempo. Sie hatten
selbst die Musik ausgewählt,
um den Akkord hoch zu halten.
Jung und robust, nahm ihnen
das Fließband den besten Teil
ihres Sommers. Aber sonst
nahm es nichts.

Manchmal riefen wir ein Hallo
in die Halle, manchmal
bekamen wir ein Hallo zurück.
Mehr gab es nicht. Kein
Farmfest. Kein Erntetanz.
Nicht mal ein Smalltalk abends
vor den Barracken.

Trotzdem tat es gut, jeden Morgen
diese Frauen zu sehen. Sie
standen für etwas, das später
eintreffen würde. Oder auch
nicht eintreffen würde. Für die
Morgenlandfahrer war es ein
Stern. Für die Seefahrer waren
es die Schwalben vom Festland.
Für uns waren es die Frauen
in der Scheuer von Motueka.

Quelle: „Wo der Tag beginnt – Storys aus Neuseeland“ von Martin Bettinger.
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors.)

Weitere Flaschenpostposts findet ihr hier.

Nächste Lesung von Martin Bettinger

10.12.12, Saarbrücken, Kulturcafé am St. Johanner Markt, 20 Uhr, Musikalischer Part: Rüdiger K. Hoffmann (Gitarre), Reservierungen unter 0681 3799200

Reputations-Disclaimer

Der Link zu Amazon ist ein Affiliatelink. Wenn ihr also das Buch kauft, bekomme ich eine Provision und werde unfassbar reich ;-)

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Martin Bettinger – Wo der Tag beginnt: Storys aus Neuseelandhttps://hoppraus.de/2012/11/martin-bettinger-wo-der-tag-beginnt-storys-aus-neuseeland/ https://hoppraus.de/2012/11/martin-bettinger-wo-der-tag-beginnt-storys-aus-neuseeland/#comments Wed, 28 Nov 2012 12:54:19 +0000 https://hoppraus.de/?p=4655 Mein erster Besuch einer Lesung

Anfang Oktober war ich auf meiner ersten Lesung. Ein saarländischer Autor liest aus seinem neuen Buch “Wo der Tag beginnt: Storys aus Neuseeland”. Martin Bettinger wirkt tatsächlich genauso wie ich mir einen Buchautor vorgestellt haben. In meiner Vorstellung sitzt dieser Mensch jahrelang hinter seiner alten Typenradschreibmaschine und arbeitet täglich an seinem Buch. “Drei Seiten schreibt man am Tag im Durchschnitt”, sagt Bettinger, als ich ihn zu einem späteren Termin persönlich kennenlernte. Die Typenradschreibmaschine ist in Wirklicgkeit ein Laptop und ein Misantroph ist Martin definitiv auch nicht. Martin erzählt von den Menschen, die er in Neuseeland kennengelernt hat. Seit Ende der Neunziger Jahre verbringt er einen Teil des Jahres in dem Haus seines Bruders an der Golden Bay in Neuseeland. Seine Geschichten über deren Bewohner bezeichnet er als Shortcuts: Kleine Blitzlichter seiner ganz persönlichen Eindrücke über die Glücksritter und Pechvögel, Tagelöhner und Strandhausbesitzer der Golden Bay.

Am Ende der Bucht, wo die Flut ablegt, was das Meer nicht mehr haben will, hat sich Harvey eine Hütte gebaut. Bei meinem letzten Besuch lagen auf seiner Fensterbank zwei kleine Kristalle. »Harvey«, sagte ich, »fängst du jetzt auch an, an sowas zu glauben?«
»Shit, nein«, sagte er. »Aber ich habe gehört, so ein Kristall würde auch wirken, wenn man nicht daran glaubt.«

Quelle: “Wo der Tag beginnt: Storys aus Neuseeland”, Auszug, Seite 13

Neuseeland als “Guest of Honor” der diesjährigen Frankfurter Buchmesse

Martin Bettinger wechselt bei seiner Lesung immer zwischen Erzählung und Lesung ab, führt uns in die Charaktere ein und zaubert den meistern Hörern immer wieder ein süffisantes Lächeln auf die Lippen. Er ist ein angenehmer Erzähler, nicht aufdringlich, der aber definitiv etwas zu erzählen hat. Neuseeland war in diesem Jahr “Guest of Honor 2012″ der Frankfurter Buchmesse. Martin hat den günstigen Zeitpunkt genutzt und seine Gedanken und Aufzeichnungen mit den vielen Eindrücken aus Neuseeland zu einem unterhaltsamen und kurzweiligen Buch zusammengefasst. Ich freue mich schon sehr darüber es zu lesen. Eine Rezension folgt.

Special: Flaschenpost

Letzte Woche habe ich Martin persönlich kennengelernt. Er möchte mit seinem Buch eine noch breitere Leserschaft erreichen und hat mir angeboten seine Serie “Flaschenpost”, welche aus Auszügen seines Buches besteht, in Form von Kurzartikeln auf meinem Blog zu veröffentlichen. Ich freu mich sehr darüber euch über die besinnliche Weihnachtszeit ein paar schöne, und wie ich denke, lesenswerte Texte von Martin Bettinger aus seinem aktuellen Buch “Wo der Tag beginnt: Storys aus Neuseeland” zu präsentieren.

Hier findet ihr die Flaschenpostposts.

Trailervideo zum Buch

Reputations-Disclaimer

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